A "piecemeal" World War III may have already begun.[1]
Pope Francis, 2014
For an approximate English translation use deepl.com or Google Chrome
Read Teil 1 here: Von Wohltätern und Erpressern
Teil 2: Drogendealer
Bleiben wir doch noch eine Weile beim Thema „Gesundheit“. Griechenland gilt gemeinhin als Wiege der Demokratie. Umso trauriger ist es, dass das Land in eine so schwierige finanzielle Notlage geraten ist, und Europa gleich mit. Wie konnte es nur soweit kommen, fragt man sich? Oder um die Frage auszuweiten: Wie gehen Demokratien zugrunde, so dass am Ende wieder eine Art Feudalsystem entsteht, in dem der Gleichheitsgrundsatz unter den Menschen außer Kraft gesetzt wird? Und eine geschichtete Gesellschaft entsteht, in der jener am meisten gilt, der am meisten Menschen „unter sich“ hat? Eine Gesellschaft, die Macht und Ressourcen-Verschwendung legitimiert, wovon in der Regel besonders eine kleine Elite überproportional profitiert...
Die Antwort ist einfach: Es braucht eine Krise, die von Ressourcenknappheit geprägt ist, so dass es nicht mehr für alle reicht. Dann nämlich muss priorisiert werden. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, heiligt der Zweck die Mittel, wird behauptet. Dann müssen harte Entscheidungen getroffen werden,[2] und es scheint gerechtfertigt, das „kleinere Übel“ zu wählen. Schnell ist man da bei der „Triage“, wo man unterscheidet zwischen jenen, die das Glück haben, dass ihnen die meisten Ressourcen zu Teil werden, jenen, die Pech haben, weil man sie im Grunde aufgibt, und dem Rest, der sich vielleicht irgendwie mit den Ressourcen durchwursteln kann, die übrig bleiben. Das „Citizen Score“ System funktioniert im Grunde ähnlich: da hängen die Rechte und der Ressourcen-Zugang vom persönlichen Punktestand ab.
Wie also kommt es zu der Krise, dem Ressourcen-Notstand, der vom Gleichheitsgrundsatz demokratischer Gesellschaften zu hierarchisch organisierten Gesellschaften führt, wo nicht mehr alle die gleichen Rechte haben? Durch Zufall bin ich über folgende Geschichte gestolpert, die im Zusammenhang mit „Big Pharma“ steht – einem Thema also, das seit der COVID-19 Pandemie die ganze Welt in Atem hält. Einer Branche, die das Zeug hat, das Leben der Menschen „vom Sperma bis zum Grab“ zu kontrollieren.[3] Kurzum, es geht um den medizinisch-industriellen Komplex und ihren Aufstieg zur „Biokratie“. Manche nennen sie auch den Gesundheitsstaat.[4] Den umstrittenen Begriff „Hygienestaat“ vermeide ich hier bewusst. Da es auf Firmennamen hier nicht ankommt, sprechen wir im Folgenden einfach von „Big Phi“, wobei der griechische Buchstabe „Phi“ für „Pharma“ steht.
Die Geschichte, die ich hier berichte, wurde offenbar im Jahre 2018 öffentlich, im Zuge von Ermittlungen des FBI. Unwillkürlich fragt man sich, was die US-Ermittlungsbehörde mit Geschehnissen in Griechenland zu tun hat. Aber vielleicht war es eine Folge dessen, dass „Big Phi“ versucht hatte, einen Anwalt von Donald Trump zu bestechen, um an politische Interna zu gelangen.[5] Diese Bestechung versuchte man pikanterweise gegen den US-Präsidenten zu instrumentalisieren, was durchaus als frecher politischer Destabilisierungsversuch der Vereinigten Staaten gewertet werden kann. An der Affäre beteiligt war überdies ein russischer Oligarch. Aber zurück nach Griechenland.
Im Februar 2018 liest man in den Zeitungen vom „größten Skandal in der Geschichte des griechischen Staates“.[6] „Big Phi“ habe durch üppige Schmiergeldzahlungen die Medikamentenpreise nach oben getrieben. Mit einem Betrag von etwa 50 Millionen Dollar seien tausende Ärzte sowie zahlreiche Beamte und Spitzenpolitiker bestochen worden.
Im „Blick“ vom 12.9.2018 erfährt man Näheres:[7] „Eine Masche bestand darin, die Ärzte an gefälschten Studien – vordergründig als Wirkungsstudien für Medikamente getarnt – teilnehmen zu lassen. Dafür sahnten sie pro Studie zwischen 3000 und 4000 Euro ab. Die Schmiergelder sollten jeweils die Absetzung einer bestimmten Menge an [Big Phi]-Medikamenten garantieren.“ Im Ergebnis wurden dem griechischen Gesundheitssystem schließlich 1.6 Grippeimpfungen pro Grieche belastet.[8]
Aber das war nicht alles, wie man im „Spiegel“ vom 20.2.3018 erfährt:[9] „Die Zahlungen kamen in verschiedener Form, von Bargeld in Umschlägen bis zu bezahlten Urlauben oder anderen Geschenken.
Jahrelang wuchsen die Ausgaben für die Pharmabranche in Griechenland unkontrolliert, von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2000 bis auf 2,1 Prozent im Jahr 2010 – doppelt so hoch wie im europäischen Mittel. Es war jenes Jahr, in dem Griechenland offiziell Finanzhilfen beim Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union beantragte.
Diese horrenden Ausgaben zu senken, war eine der Schlüsselvereinbarungen des Rettungspakets. 2015 waren die Kosten für Pharma-Produkte wieder auf ein Prozent des BIP gefallen und nahe dem europäischen Standard. Hätte Griechenland sich von den Jahren 2010 bis 2015 an dieses Verhältnis von Ausgaben zu BIP gehalten, hätte das Land geschätzte 19,7 Milliarden Euro einsparen können.“
Die „ZEIT“ vom 12.2.2018 schreibt gar: „Dies soll den griechischen Staat in den vergangenen 15 Jahren laut Regierungsangaben bis zu 23 Milliarden Euro gekostet haben.“[10]
Da Griechenland als Referenzmarkt galt,[11] hatten die Preisentwicklungen in Griechenland auch Auswirkungen auf andere europäische Länder. Man könnte durchaus sagen, „Big Phi“ hat Griechenland das finanzielle Rückgrat gebrochen und damit zu einer beispiellosen Krise in Europa geführt, angesichts derer Martin Schulz, damals Präsident des EU-Parlaments, in sein Tagebuch schrieb: "Wir haben kurz in den Abgrund geschaut. Dabei haben wir gesehen, welche zerstörerische Kraft das Misstrauen besitzt.“[12]
Am 23.2.2018 liest man bei „N-TV“ unter der Überschrift „Versickerte EU-Geld für Athen bei [Big Phi]?“:[13] „Während das griechische Gesundheitssystem am Tropf der EU-Länder hing, soll [Big Phi] Politiker in Athen geschmiert haben, um Wucherpreise für seine Pillen durchzusetzen.“ Und weiter: „Die Elite der griechischen Politik steht am Pranger: zehn Top-Politiker der Konservativen und Sozialisten, die über Jahrzehnte die Regierung stellten, darunter der frühere Premierminister und jetzige Oppositionschef Antonis Samaras, der ehemalige Übergangs-Regierungschef Panagiotis Pikramenos, der heutige Zentralbankchef Yannis Stournaras und der griechische EU-Migrationskommissar und Ex-Gesundheitsminister Dimitris Avramopoulos.“
Nun hatten Sie vielleicht mit einer Entschuldigung der betroffenen Politiker gerechnet. Stattdessen lesen wir verblüfft: „Die Politiker in Athen streiten alles als "Hexenjagd" ab. "Die rücksichtsloseste und lächerlichste Verschwörung aller Zeiten" nennt sie Samaras. Die linksgerichtete Syriza-Regierung habe "falsche Zeugen aufgerufen, um ihre Rivalen zu beschmutzen", sagte Samaras im Parlament. Er verklagte Premierminister Alexis Tsipras sogar. "Schändliche Verleumdung" nannte Notenbankchef Stournaras die Vorwürfe. Sie seien das Produkt "kranker Köpfe" und politisch motiviert, wies Avramopoulos die Anschuldigungen zurück.
Völlig abwegig sind sie jedoch keinesfalls. Schon 2010 tauchten die Namen mehrerer Ex-Minister auf einer geheimen Steuersünder-Liste auf, die die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde in Athen übergeben hatte. Auch enge Verwandte des damaligen sozialistischen Finanzministers Georgios Papakonstantinou standen darauf. Die Lagarde-Liste verschwand zwei Jahre lang in einer Schublade. Und als sie wieder auftauchte, waren die Namen von Papakonstantinous Verwandten von der Liste verschwunden. Der Ex-Finanzminister bekam dafür ein Jahr Gefängnis auf Bewährung.” Inzwischen leitet Christine Lagarde, wie Sie wissen, dank Emmanuel Macron und Angela Merkel die Europäische Zentralbank („EZB“).[14]
In der Tageswoche vom 10. Februar 2018 liest man weiter:[15]
„Zeugen haben angeblich Ex-Premier Samaras beschuldigt, einen Koffer voller 500-Euro Scheine für Leistungen an [Big Phi] in Hellas entgegengenommen zu haben. Medienberichten zufolge soll die Akte [Big Phi] auch Aussagen über Geldlieferungen im Kofferraum von [Big Phi]-Dienstwagen an griechische Regierungsstellen beinhalten. Journalisten sollen als Mittelsmänner zwischen griechischen Politikern und dem Konzern gedient haben.
Zu den brisantesten bekannt gewordenen Vorwürfen zählen jene gegen den derzeitigen EU-Kommissar Dimitri Avramopoulos. Er soll 2006 als Gesundheitsminister unter dem Tisch Geld für HIV-Bluttests erhalten haben. 2009 soll Avramopoulos auch den Ankauf von 16 Millionen [Big Phi]-Grippeimpfungen für Griechenland betrieben haben; das Land hat 10 Millionen Einwohner.
Avramopoulos weist die Anschuldigungen als haltlos zurück. Auch Notenbankchef Stournaras zeigt sich überzeugt: «Diese wackligen Vorwürfe haben kein Standbein.» Der ehemalige [Big Phi] Hellas Vizepräsident Frouzis tat die Anschuldigungen als «grosse Farce» ab. Samaras drohte seinem Amtsnachfolger Tsipras gleich mit einer Verleumdungsklage. Und der Chef der konservativen Nea Demokratia, Kyriakos Mitsotakis, sieht hinter den Vorwürfen grundsätzlich den Versuch, die gesamte Partei zu verunglimpfen. Der ehemalige Pasok-Finanzminister Evangelos Venizelos, der zu den Hauptverdächtigen zählt, sieht sich ebenfalls als unschuldig.“
Wie der Skandal ausging? Die Politiker blieben straffrei, während die Kronzeugen, deren Identität unrechtmäßig enthüllt wurde, selber auf der Flucht sind. Eine ausführliche Darstellung finden Sie bei „heise.de“ vom 21. 2. 2020.[16] Immerhin musste „Big Phi“ eine Geldstrafe von 346 Millionen Euro bezahlen.[17] Doch angesichts der zusätzlich verdienten Milliarden nimmt sich der Betrag eher wie eine Kleinigkeit aus, man möchte fast sagen: wie ein Geschenk. Für „Big Phi“ zahlte sich die Korruption jedenfalls aus, während halb Europa in Scherben lag.
Indessen ist das nicht nur das Werk von „Big Phi“. Vielmehr rang China „Big Pharma“ enorme Rabatte ab.[18] Obwohl der Deal für die Firmen vergleichsweise unprofitabel war, ließen sie sich darauf ein, weil sie auf den riesigen chinesischen Markt spekulierten.[19] Seitdem wird immer wieder über Medikamentenknappheit in Europa und der Schweiz berichtet. Die Rechnung für das chinesische Schnäppchen bezahlten die westlichen Demokratien, wo die Medikamente zum großen Teil erfunden worden waren und vielfach höhere Preise gezahlt wurden.
Mit anderen Worten: den Preis bezahlen Sie, ja Sie! Übrigens nicht nur für überteuerte Medikamente. Denn während für das Finanzschlammassel in Europa oftmals die Griechen verantwortlich gemacht werden, stellte sich bereits 2013 heraus: Von 207 Milliarden Euro Krediten, die an Athen überwiesen wurden, gingen fast 160 Milliarden (also 77 Prozent!) an Banken und reiche Kapitalanleger.[20] Wenn Sie also glauben, mit Ihren Steuern Griechenland gerettet zu haben, dann täuschen Sie sich gewaltig! Sie haben dank der Rettungspakete der Politiker, denen Sie vertrauten, vor allem Banken, Reichen und Pharmaunternehmen die Taschen gefüllt sowie China eine Menge Geld erspart. Gewissermaßen bezahlen wir das Gesundheitssystem in China zu einem Teil mit. Der Nebeneffekt: Viele Demokratien liegen in Scherben. Und man spürt wenig Trauer seitens der Reichen, Banken, Pharmaunternehmen und China. Man könnte fast meinen, es sei ihnen eigentlich ganz recht...
Nun verstehen Sie vielleicht, warum Eberhard von Koerber (der die Koerber-Stiftung leitete) am 23. Juni 2017 im privaten Kreis politischen Handlungsbedarf gegenüber „Big Pharma“ anmahnte. An dem Tag war er putzmunter und hoch-fidel. Umso schockierter war die Welt Anfang August, als sie erfuhr, dass er kurze Zeit später überraschend und plötzlich an Herzversagen verstorben war...
[1] https://www.bbc.com/news/world-europe-29190890
[2] https://www.amazon.com/Good-People-Make-Tough-Choices/dp/0061743992/; auf dieses Buch bin ich übrigens nur dank der Troll Posts gestoßen...
[3] https://www.nzz.ch/feuilleton/zukunft-des-menschen-ersetzen-wir-gott-oder-die-maschinen-uns-ld.1561928
[4] https://www.cognizant.com/futureofwork/whitepaper/after-the-virus
[12] https://www.stern.de/sonst/vorabmeldungen/martin-schulz-zur-griechenlandkrise--wir-haben-in-den-abgrund-geschaut-6345934.html
[14] https://www.reuters.com/article/us-eu-summit-france-germany-idUKKCN1TX1FP
[16] https://www.heise.de/tp/features/Politiker-bleiben-straffrei-Kronzeugen-auf-der-Flucht-4665721.html
[18] https://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/chinas-macht-ueber-die-medikamentenpreise/story/27043292
[20] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/griechenland/europas-schuldenkrise-griechenland-hilfe-vor-allem-an-banken-und-reiche-12224468.html
No comments:
Post a Comment
Note: only a member of this blog may post a comment.