Die
 digitale Revolution würde unsere ganze Gesellschaft umwälzen – das 
ahnten wir ja schon. Aber wird sie auch eine lebenswerte Zukunft 
schaffen? Diese bange Frage wird immer drängender in dieser Corona-Zeit,
 in der die digitale Überwachung immer invasiver wird und Algorithmen 
über Leben und Tod entscheiden. Kommt jetzt wirklich bald das digitale 
Paradies, oder haben wir uns verirrt? Sind wir womöglich gar in eine 
Dystopie geraten? Was können wir tun? 
Wir leben in 
einer Welt, in der wir an den Fortschritt glauben. Nirgendwo sind wir in
 den letzten Jahren so begeistert vorangestürmt wie bei der 
Digitalisierung. Schon zum Greifen nah schien das digitale Paradies, in 
dem Algorithmen-gesteuert alles von selber läuft, von der Produktion bis
 zum selbstfahrenden Auto; in dem automatisch Milch und Honig fließen 
(dank Internet-of-Things-Kühlschrank); in dem personalisierte 
Urlaubsangebote mit einem Klick gebucht werden können; in dem „Alexa“ 
unser Leben erleichtert; in dem das perfekte Liebesdate lockt – dank 
Dating-App; in dem Krankheiten eliminiert werden sollen und Körper 
technisch aufgerüstet. Vielleicht würden wir bald ewig leben, so hoffte 
mancher schon. Doch dann kam Corona... 
Im Grund wusste man, dass
 irgendwann wieder eine Pandemie um die Welt gehen würde – und mit einer
 gewissen Chance würde es eine Lungenkrankheit sein. Die 
Datenschutzgesetze und Menschenrechte waren ebenfalls keine 
Überraschung. Dennoch war man schockierend schlecht vorbereitet. 
Wochenlang gab es Lieferengpässe – sogar bei Desinfektionsmitteln und 
Masken. Mehrfach mussten Krankenstatistiken und wichtige Indikatoren 
korrigiert werden. Messergebnisse waren unzuverlässig, nicht einmal 
repräsentativ. Prognosen führten in die Irre. Menschen starben 
massenweise – oftmals an Triage. Zahlreiche Unternehmen lagen am Boden. 
Viele Selbständige verzweifelten. Politiker wussten nicht mehr ein noch 
aus. 
Indessen überschlugen sich Unternehmer flugs mit innovativen Vorschlägen: elektronische IDs[1] und Immunitätsausweise[2] standen bereit. Klaus Schwab wollte gleich den „Great Reset“ mit dem World Economic Forum.[3] Auch ein „Internet of Bodies“ stand zur Debatte.[4] Man könnte doch am besten gleich den Gesundheitszustand im Körper ausmessen und automatisch weiterfunken.[5]
 Keiner der Vorschläge schien so richtig mit dem Grundgesetz vereinbar. 
Gut fanden sie vor allem die Unternehmen, die auf spektakuläre Gewinne 
hofften – doch oft genug scheiterten sie an der gesellschaftlichen 
Realität. 
Hat die Digitalisierung sich verlaufen? Zeit für eine 
Zwischenbilanz! Lange Zeit waren wir mit der Plattform-Ökonomie 
zufrieden. Sie lieferte uns bequeme und zeitsparende Lösungen. Doch sie 
läuft nicht mehr rund. Kartell-Verfahren beklagen schwere 
Marktverzerrungen.[6] Demokratische Wahlen wurden im großen Stil manipuliert.[7] Die Digitalisierung schaffte ein neues Präkariat.[8]
 Soziale Medien förderten Hate Speech. Fake News wurden zur globalen 
digitalen Seuche – vielleicht nicht weniger gefährlich als Corona. 
Kurzum, das Vertrauen ins daten-getriebene Zeitalter hatte beträchtlich 
gelitten. Und das hat seine Gründe. 
Eine nachhaltige Wirtschaft?
 Fehlanzeige! Demokratieplattformen? Nicht vorhanden! Digitale 
Katastrophen-Assistenten. Eile mit Weile! Apps für umweltfreundlichen 
Konsum? In Arbeit! Partizipative Gesundheitsplattformen? Nicht 
erwünscht! Mein Urteil mag vielleicht zu harsch sein, aber die 
Hauptentwicklungen der Digitalisierung lagen sicher woanders. 
Oftmals
 hörte man das Credo: „Die Demokratie ist eine veraltete Technologie.“ 
Peter Thiel sorgte sich vor allem darum, den Kapitalismus sicher vor der
 Politik zu machen.[9] Facebook’s Motto war gleich: „Move fast and break things.“[10]
 Derweil machten sich Elon Musk, Apple-Mitbegründer Steve Wozniak, und 
sogar Bill Gates Sorgen um die Folgen von Superintelligenz.[11]
 Man hielt ihnen entgegen, man könne der KI ja jederzeit den Stecker 
ziehen. Doch stattdessen zog man den Stecker bei den COVID-19-Patienten.
 
Derweil ist der Zustand der Demokratien ebenfalls kritisch. Ehemalige Datenschützer[12] warnen genauso wie ehemalige Bundesrats-[13] und Verfassungsgerichtspräsidenten.[14]
 Ihr Bücher kommen gegen die Aufmerksamkeitsökonomie nicht an. Die 
anonyme demokratische Wahl – wurde mit Big Data gehackt. Nicht nur 
schaut man virtuell gewissermaßen heimlich in die Wahlkabine.[15] Auch werden die Entscheidungen mit personalisierten  Informationen gezielt manipuliert.[16]
 Diese Art der Rattenfängerei höhlt das „one person one vote“ Prinzip 
aus. Wer mehr Werbedollar investiert, kann mehr Menschen den Kopf 
verdrehen. Die Dokumentation „The Great Hack“[17] haben Sie vielleicht gesehen. Ehemalige Cambridge-Analytica-Angestellte sprechen von Mindf*ck[18] und von Datendiktatur.[19] 
Profiling, Targeting, Scoring...
Die
 gängigen Methoden des Überwachungskapitalismus sind das „Profiling“ 
(d.h. die Erstellung digitaler Dossiers) und das „Targeting“ (die 
gezielte Manipulation). Im Rahmen des personalisierten „Neuromarketing“[20] – auch „Big Nudging“[21]
 genannt – werden diese vielfach zu Werbezwecken eingesetzt. Sie sind 
aber auch Bestandteil des täglich tobenden globalen Informations- und 
Propaganda-Krieges,[22]
 weswegen wir wohl die Fake News Plage haben. Zur Begegnung dieses 
Problems greifen auch bei uns Zensurmethoden zunehmend um sich.[23] 
  Ein weiteres Prinzip ist das „Scoring“.[24]
 Im Zusammenhang mit China’s „Social Credit Score“ wurde die Methode als
 totalitäres Kontrollinstrument des Staates berühmt-berüchtigt.[25]
 Indessen untergraben Scoring-Methoden (wie der „Customer Lifetime 
Value“) auch im Westen die Menschenwürde. Scores werden genutzt, um 
Business-Prozesse zu optimieren. Doch dadurch werden Menschen wie Dinge 
verwaltet. Darüber hinaus wird Diskriminierung zum Geschäftsprinzip. 
Nicht nur bekommen wir für die gleiche Leistung unterschiedliche, 
„personalisierte“ Preise in Rechnung gestellt. Wir bekommen auch andere 
Angebote angezeigt. Vielleicht werden Ihnen bestimmte Produkte und 
Services gleich ganz vorenthalten. Ihre und meine digital „kuratierte“ 
Welt unterscheiden sich massiv. Im Einzelnen haben wir leider keine 
Ahnung wie. Auch wissen wir nicht, welche „sozialen Ingenieure“ für die 
Verhaltens- und Gesellschaftssteuerung[26]
 verantwortlich sind. Man darf bezweifeln, ob sie immer qualifiziert und
 legitimiert sind. Ist womöglich gar der Nürnberger Kodex[27] tangiert? 
Lawrence Lessig warnte uns noch, indem er sagte: „Code is law“.[28]
 Algorithmen bestimmen immer mehr, was geht und was nicht – ganz am 
Parlament vorbei. Nicht nur die Demokratie ist weitgehend Makulatur 
geworden, dank digitaler Revolution. Das Gleiche gilt auch für den 
Rechtsstaat. „Predictive Policing“-Methoden[29]
 machen das Prinzip Unschuldsvermutung null und nichtig. Ihr zufolge 
hätte als unschuldig zu gelten und wäre vor willkürlichem Zugriff zu 
schützen, wer nicht aufgrund von rechtsstaatlich erlangten Beweisen 
angeklagt und in einem öffentlichen, fairen Prozess schuldig gesprochen 
wurde. Doch spätestens seit dem „Karma Police“ Programm des britischen 
Geheimdienstes GCHQ[30]
 werden wir Bürgerinnen und Bürger ausnahmslos durchleuchtet – nicht nur
 auf mögliche Rechtsverletzungen, sondern auch auf ihre Gesinnung, 
Geschmack und Persönlichkeit. Wurde hier illegal eine Art digitales 
Jüngstes Gericht installiert? Und fällt es neuerdings auch Todesurteile?
 
Zunehmend ist von algorithmen-basierten Sterbe-Entscheidungen[31] und Todesalgorithmen[32]
 die Rede. Sie werden jetzt vielleicht denken, die schrecklichen 
Triage-Entscheidungen der jüngsten Zeit hätten mit Covid-19 zu tun, 
nicht mit der Digitalisierung. Doch vermutlich liegen Sie da falsch. 
Denn die Diskussionen um mangelnde Nachhaltigkeit, Überbevölkerung und 
Populationskontrolle begannen schon vorher.[33] 
Noch vor fünf Jahren warnte die FAZ:[34]
 „Big Data ist Big Business. Die Sammlung und die Verknüpfung von 
Informationen über Menschen im Netz bringen Milliarden ein. Und die 
Methoden werden immer abgefeimter und perfekter. Es ist Zeit, dagegen 
vorzugehen.“ Nun aber wird eine daten-getriebene Methode zur 
Echtzeit-Prognose der Covid19-Mortalität vorgeschlagen, abgestützt auf 
eine Gesundheitsdatenbank[35]
 – das elektronische Patientendossier lässt grüßen. So können Prognosen 
zu Lebenserwartungen in algorithmen-basierte Entscheidungen über Leben 
und Tod übersetzt werden.[36] Insbesondere lässt sich das System für Triage-Entscheidungen verwenden. 
Bereits 2020 war in „MIT Technology Review“ von einem Triage-Tool zu lesen, das wohl noch lange im Einsatz sein würde.[37] Auch die Organisation von Triage-Entscheidungen ist algorithmisch codifiziert.[38]
 In Übereinstimmung mit der Verfassung ist das alles wohl nicht. Doch 
den Rechtsstaat kümmert der „Todschlag durch Unterlassen“ bisher wenig. 
Hat man überhaupt schon begriffen, was da gerade passiert?[39] 
Trolley-Problem: Das kleinere Übel?
In jüngster Zeit stützte sich die Triage-Debatte oftmals auf das „Trolley-Problem“ ab.[40] Hier geht es um die Frage, wer sterben muss, wenn nicht alle leben können.[41] Die Debatte wurde im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen zum Megathema gehyped.[42] Vordergründig ging es darum, Menschenleben zu retten.[43] De facto jedoch wurde das verfassungsgemäße Prinzip, demzufolge jedes Menschenleben gleichwertig zu behandeln sei,[44]
 durch das Prinzip des „geringeren Übels“ ersetzt, das weder mit dem 
Gleichheitsprinzip noch mit dem Recht auf Leben vereinbar ist.[45] 
Ehe
 man sich versah, hatten soziale Ingenieure eine unterschiedliche 
Wertigkeit des Lebens eingeführt, die man mit dem „Moral Machine 
Experiment“[46] flugs zu ermitteln versuchte. „Oma oder Obdachlosen überfahren?“ titelten Zeitungsartikel entsetzt über das makabre Experiment.[47]
 Damit zog das gnadenlose utilitaristische Nutzen-Denken vollends ins 
Gesundheitssystem ein, in dem einst die Menschenwürde im Vordergrund 
stehen sollte. Das Ziel individueller Gesundheit wurde durch das Ziel 
„gesellschaftlicher Gesundheit“ ersetzt. Und so werden heute 
Triage-Entscheidungen vielerorts nicht mehr nur in Kriegen und 
kriegsähnlichen Katastrophenlagen getroffen – sondern auch zur 
Optimierung von Patientenfluss und Krankenhauslogistik.[48] Inzwischen ist wieder von „Eugenik“ die Rede.[49] 
Andere
 machten sich gar nicht erst die Mühe, mit Kostendeckeln, 
Kapazitätsengpässen oder Trolleyproblemen zu argumentieren. Sie sprachen
 gleich von computer-gestützter Euthanasie.[50]
 Denn genau darum schien es hier zu gehen: um Wege zur Reduktion der 
„Überbevölkerung“, wie sie in der Vergangenheit gefordert wurden. Doch 
wer solche Wege empfiehlt oder auch nur toleriert, dem muss klar sein, 
dass derzeit jährlich bis zu 80 Millionen Menschen zusätzlich sterben 
müssten, um die Weltbevölkerung konstant zu halten.[51] Das entspricht der Zahl der Opfer des 2. Weltkriegs und des Holocaust zusammen – jedes Jahr! Es wäre ein wahnsinniger Plan. 
Dabei
 war es nur soweit gekommen, weil man die Natur vollkommen aus dem 
Gleichgewicht gebracht hatte. Anfang der 70er Jahre wurde klar, dass im 
21. Jahrhundert mangels Nachhaltigkeit Umweltkatastrophen und 
Ressourcenknappheiten wahrscheinlich waren.[52]
 Dennoch exportierte man die ressourcenverschwendende Wirtschaftsweise 
der Industrienationen in die ganze Welt. Der Ressourcenverbrauch wuchs 
um ein Vielfaches. Sogar der Energieverbrauch pro Kopf stieg sprunghaft.[53]
 Mit dem Erdölverbrauch wuchs die Weltbevölkerung über Jahrzehnte 
proportional. Es war eigentlich klar, was zu tun war. Doch nun führten 
jene, die die Katastrophe auf den Weg gebracht hatten, ebendiese als 
Argument an, um ein Grundrecht nach dem anderen auszuhebeln. 
Das
 „Prinzip des kleineren Übels“ führt schnell zu Willkür. Je schlimmer 
die Situation, desto weniger Regeln und Gesetze sind zu beachten. Das 
schafft Fehlanreize für die Mächtigen. So lässt sich alles aushebeln, 
was uns lieb und teuer ist – unsere Menschenrechte vor allem. Wo doch 
die Menschenwürde eigentlich ein ewiges und unveräußerliches Recht ist, 
das wir per Geburt erhalten. Es ist das fundamentalste Recht, das 
demokratische Politiker mit allen Mitteln verteidigen müssten. Geschieht
 das unzureichend oder nicht, verliert der Staat als solches 
Legitimität. Es ist an der Zeit, dass Wissenschaftler und Ingenieure, 
Politiker, Richter und Journalisten Farbe bekennen. Ansonsten droht uns 
die digitale Geburt eines autoritären oder gar totalitären Regimes, das 
Elemente von Feudalismus, Kommunismus und Faschismus daten-getrieben neu
 erfindet. 
Die Parallelen zu früheren Zeiten sind kaum mehr zu 
leugnen. Viele heutige Gesellschaftsformen enthalten Elemente wie 
Planwirtschaft, Orwell’sche Massenüberwachung, unethische Experimente 
mit Menschen (ohne ihr vorheriges Einverständnis), social Engineering 
und Mind Control,[54]
 Propaganda und Zensur, Versuche der (Gesinnungs-)Gleichschaltung, 
staatliche Kontrolle oder Paternalismus, großflächiges Policing (mit 
Programmen wie PreCrime), Einführung unterschiedlicher Wertigkeit von 
Menschen, Infragestellung von Menschenrechten, Einführung verschiedener 
Rechte für verschiedene Bürger, je nach „Relevanz“, im schlimmsten Fall 
sogar Triage oder Euthanasie.  
„Digitales Paradies“ oder Paradigmenwechsel?
Wir
 haben uns auf das „digitale Paradies“ gefreut. Doch jetzt diskutieren 
wir darüber, ob wenigstens Geimpfte aus dem Quasi-Hausarrest des 
Lockdowns irgendwann entlassen werden können. Wir sprechen über 
„Dichtestress“ und „systemrelevante Menschen“. Menschen, die sich dem 
System unterordnen, sollen Privilegien erhalten, so der Vorschlag. Für 
die anderen scheint kein Platz mehr in der Gesellschaft zu sein. Sie 
werden aussortiert. Das heißt jetzt wohl „new Normal“. Die einstigen 
Utopien sind in eine Dystopie umgeschlagen – einen Überwachungsalptraum,
 in dem Künstliche Intelligenz daten-getrieben über Menschen zunehmend 
bestimmt. Sie haben keine reale Chance mehr, mitzubestimmen oder sich zu
 wehren. 
Wie konnte es nur soweit kommen? Steckt womöglich ein kapitaler Denkfehler dahinter? 
Zunächst
 sollten wir die Idee hinterfragen, dass wir nun zu Maschinenmenschen 
(„Cyborgs“) werden sollten, um am Ende Unsterblichkeit zu erreichen, 
indem wir unsere Hirninhalte und Persönlichkeit in die Cloud hochladen.[55]
 Gemäß ihrem „Glaubensbekenntnis“ muss ein Transhumanist unter anderem 
sein eigenes Leben über alles stellen und nach Omnipotenz streben.[56]
 Doch würden wir uns nun alle technisch aufrüsten, dann würden sich die 
Konflikte in der Welt nur weiter verschärfen. Für die meisten Menschen 
ginge das nicht gut aus. Einige glauben sogar, es könnte das Ende der 
Menschheit bedeuten.[57] 
Während manche – wie Ray Kurzweil – davon träumen, dank Digitalisierung zu Göttern zu werden,[58] sind andere eher skeptisch. Steve Wozniak, Mitbegründer von Apple, etwa fragt:[59]
 „Werden wir wie Götter sein? Werden wir wie Haustieren sein? Oder 
werden wir wie Ameisen sein, die man achtlos zertritt?“ KI-Pionier 
Jürgen Schmidhuber glaubt an die Singularität und menschengemachte 
künstliche Superintelligenz. Für ihn werden Menschen einst wie Katzen 
sein.[60]
 Hört sich das wie eine bessere Zukunft an? Wollen wir das? Oder begehen
 wir da einen fatalen Fehler? Elon Musk zum Beispiel warnt: „Ich denke, 
hinsichtlich Künstlicher Intelligenz sollten wir äußerst vorsichtig 
sein. Wenn ich schätzen sollte, was unsere größte existenzielle 
Bedrohung ist, dann ist es wahrscheinlich das.“[61] 
Wenn
 Sie mich fragen, braucht es dringend einen Paradigmenwechsel. Zunächst 
einmal sind Menschen keine biologischen Roboter. Wir sind nicht einfach 
nur rücksichtslose Optimierer, wie es uns oft suggeriert wird. Wir sind 
empathisch, haben ein soziales Gehirn. Das macht uns zu einer 
kooperativen Spezies – der wohl erfolgreichsten auf der Erde. Was unser 
Leben menschlich und lebenswert macht, das lässt sich schwer in Zahlen 
fassen: Menschenwürde, Bewusstsein, Liebe, Freiheit, Kreativität. In 
einer daten-getriebenen Gesellschaft droht das unter die Räder zu 
kommen. Denn alles, dessen Wert nicht in Zahlen beziffert werden kann 
oder wird, wird wegoptimiert. 
Eine bessere Welt, aber wie?
Damit
 sind wir bei einem weiteren wichtigen Thema angekommen: der Optimierung
 der Welt. Dank Informationstechnologie haben Produktion und Logistik 
einen Effizienzrekord nach dem anderen gebrochen. Warum also sollten wir
 nicht gleich die ganze Welt optimieren? Nun, erstens, weil trotz aller 
Effizienzsteigerungen der Ressourcenverbrauch der Welt weiter explodiert
 ist. Das Nachhaltigkeitsproblem wurde also keineswegs entschärft – es 
vergrößerte sich sogar. Dennoch hat sich das utilitaristische Denken der
 Nutzenmaximierung weitestgehend durchgesetzt. 
Man müsse nur 
alle externen Effekte unseres Handelns und Wirtschaftens in Dollar 
beziffern, dann würde schon alles gut, heißt es. Eine CO2-Steuer würde 
das Klimaproblem lösen. Auch der Mangel an Organen wäre so zu lösen – 
mit marktwirtschaftlichen Methoden. Da war es nur konsequent, dass in 
China Menschen – angeblich auch gegen ihren Willen – Organe entnommen 
wurden.[62] Betroffen waren vor allem die geringst-bewerteten Volksgruppen. 
Gemäß
 dieser Logik würden nun nicht nur Organe, sondern auch alle Menschen 
einen Citizen Score zugeordnet bekommen, der ihren gesellschaftlichen 
Wert ausdrückte. Damit nahm eine Art apokalyptischer Endzeitkapitalismus
 seinen Lauf. Zahlen bestimmten jetzt, wer noch etwas vom Leben zu 
erwarten hatte und wer nicht[63] – ähnlich wie das schon zuvor im Nationalsozialismus der Fall war.[64] 
Es
 ist irritierend, dass Optimierung anscheinend nicht zwangsläufig zu 
einer lebenswerteren Zukunft führt. Doch das hat seine Gründe. Denn 
Optimierung basiert auf einer Zielfunktion, und die ist letztlich 
eindimensional[65]. Dadurch drängt ein einziges Ziel alle anderen, inkompatiblen Ziele in den Hintergrund. 
Optimieren
 Sie nur lange genug ein einziges Ziel, so wird die Vernachlässigung der
 anderen Ziele zu Problemen führen. Natürlich können Sie die 
Zielfunktion dann ändern (z.B. von der Maximierung von Profit zur 
Minimierung von CO2). Aber dennoch führt der Denkansatz zu einer 
Politik, die ständig damit beschäftigt ist, neue Brandherde zu löschen. 
 
Die Natur funktioniert anders. Sie hat die ressourcenschonende 
Kreislaufwirtschaft bereits erfunden, die wir in unserem ökonomischen 
System verzweifelt zu schaffen versuchen. Sie erreichte das nicht durch 
Optimierung, sondern durch Ko-Evolution. An vielen Orten zugleich 
passieren mannigfaltige Verbesserungen (durch Mutation und Selektion – 
gewissermaßen durch Innovation). Und zahlreiche Feedback-Loops führen zu
 einem oft symbiotischen Zusammenwirken. 
Nicht dass die Natur 
perfekt wäre, doch wir können noch viel von ihr lernen. Das 
Erfolgsrezept liegt in zahlreichen Synergie-Effekten.[66]
 Diese sind eine Frage der Netzwerkstrukturen und Interaktionen – also 
dessen, was sich zwischen Subjekten und Objekten abspielt. Häufig sind 
es also unsichtbare, immaterielle Beziehungen, die über das Ergebnis 
entscheiden. Passen die Interaktionen, dann resultieren Koordination und
 Kooperation, kollektive Intelligenz und Ordnung, häufig sogar durch 
Selbstorganisation.[67] Andernfalls resultieren Instabilität und Kaskadeneffekte, Chaos und Desaster.[68] 
Die Digitalisierung gibt uns nun die Mittel an die Hand, das Ergebnis zu entscheiden.[69]
 Mit dem Internet der Dinge lassen sich multi-dimensionale, lokale 
Feedbacks etablieren, die für positive Interaktionen und Netzwerkeffekte
 sorgen. Stellen wir es geschickt an, dann braucht es dafür keine 
globale Massenüberwachung, Profiling, Targeting und Kontrolle.   
Digitalisierung, Demokratie, Menschenrechte, Nachhaltigkeit und 
Resilienz sind keine Widersprüche! Doch es braucht einen neuen 
Denkansatz, um sie gegenseitig zu versöhnen und zu verbessern.[70] Mit dem Konzept eines sozio-ökologischen Finanzsystems 4.0 haben wir den ersten Schritt getan.[71] Jetzt liegt es an uns allen, damit Frieden und Prosperität – und eine bessere Zukunft zu schaffen.[72] Technologischer Totalitarismus oder digitale Demokratie.[73] Sie haben die Wahl. Entscheiden Sie sich bitte! Jetzt. 
[1] https://www.project-syndicate.org/commentary/digital-id-covid19-human-rights-surveillance-technology-by-dirk-helbing-and-peter-seele-2020-09 
 [2] https://www.dw.com/de/corona-pandemie-ethikrat-gegen-immunitätsausweis/a-55017210 
 [3] https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Reset 
 [4] https://www.weforum.org/agenda/2020/06/internet-of-bodies-covid19-recovery-governance-health-data/ 
 [5] https://www.rand.org/blog/articles/2020/10/the-internet-of-bodies-will-change-everything-for-better-or-worse.html 
 [6] https://www.wiwo.de/politik/europa/amazon-google-und-co-eu-nimmt-den-kampf-gegen-internetgiganten-auf/26609398.html 
 [7] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/cambridge-analytica-manipulierte-waehler-weltweit-16568193.html 
 [8] https://www.derstandard.at/story/2000078786980/arbeitsforscherin-die-digitalisierung-kreiert-ein-neues-prekariat 
 [9] https://www.businessinsider.com/peter-thiel-is-trying-to-save-the-world-2016-12 
 [10] https://www.amazon.com/Move-Fast-Break-Things-Undermined/dp/0316275778 
 [11] https://observer.com/2015/08/stephen-hawking-elon-musk-and-bill-gates-warn-about-artificial-intelligence/ 
 [12] https://www.aufbau-verlag.de/index.php/uberwachung-total.html 
 [13] https://www.faz.net/aktuell/politik/lammert-warnt-vor-einem-ausbluten-der-demokratie-15184290.html 
 [14] https://www.nzz.ch/international/hans-juergen-papier-warnt-vor-aushoehlung-der-grundrechte-ld.1582544 
 [15] https://www.silicon.de/41575201/obama-wahlsieg-dank-big-data-und-analytics 
 [16] https://www.extremetech.com/extreme/245014-meet-sneaky-facebook-powered-propaganda-ai-might-just-know-better-know 
 [17] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Great_Hack 
 [18] https://www.penguinrandomhouse.com/books/604375/mindfck-by-christopher-wylie/ 
 [19] https://www.harpercollins.de/products/die-datendiktatur-wie-wahlen-manipuliert-werden-9783959673907 
 [20] https://en.wikipedia.org/wiki/Neuromarketing 
 [21] https://www.spektrum.de/kolumne/big-nudging-zur-problemloesung-wenig-geeignet/1375930 
 [22] https://www.droemer-knaur.de/buch/yvonne-hofstetter-der-unsichtbare-krieg-9783426277867 
 [23] https://nzzas.nzz.ch/kultur/social-media-sind-die-neue-globale-zensurbehoerde-ld.1528410 
 [24] https://www.pcwelt.de/ratgeber/Superscoring-Wie-wertvoll-sind-Sie-fuer-die-Gesellschaft-10633488.html 
 [25] https://www.economist.com/briefing/2016/12/17/china-invents-the-digital-totalitarian-state 
 [26] https://www.leopoldina.org/politikberatung/wissenschaftliche-kommissionen/digitalisierte-gesellschaft/bessere-menschen-durch-digitale-technologien/ 
 [27] https://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Kodex 
 [28] https://www.basicbooks.com/titles/lawrence-lessig/code/9780786721962/ 
 [29] https://www.republik.ch/2020/12/11/die-polizei-weiss-was-sie-morgen-vielleicht-tun-werden 
 [30] https://theintercept.com/2015/09/25/gchq-radio-porn-spies-track-web-users-online-identities/ 
 [31] https://www.project-syndicate.org/commentary/artificial-intelligence-resilience-covid19-climate-change-by-dirk-helbing-and-peter-seele-2020-11 
 [32] http://www.passagen.at/cms/index.php?id=62&isbn=9783709204177 
 [33] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-11-05/scientists-call-for-population-control-in-mass-climate-alarm 
 [34] http://people.tuebingen.mpg.de/bs/faz-monopol-auf-daten.pdf 
 [35] https://www.nature.com/articles/s41467-020-20816-7 
 [36] https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2017/Der-Todesalgorithmus-Computer-berechnet-Lebenserwartung,todesalgorithmus112.html 
 [37] https://www.technologyreview.com/2020/04/23/1000410/ai-triage-covid-19-patients-health-care/ 
 [38] https://orbit.dtu.dk/en/publications/modelling-the-social-practices-of-an-emergency-room-to-ensure-sta 
 [39] http://futurict.blogspot.com/2021/01/es-geht-um-ihr-leben-warum-wir-eine.html, http://futurict.blogspot.com/2021/02/es-geht-um-ihr-leben-warum-wir-eine.html 
 [40] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6642460/ 
 [41] https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem 
 [42] https://www.zeit.de/kultur/2017-09/kuenstliche-intelligenz-algorithmus-spam-autonomes-fahren 
 [43] https://www.researchgate.net/publication/319205931_An_Extension_of_Asimov%27s_Robotics_Laws 
 [44] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/DG/bericht-der-ethik-kommission.pdf 
 [45] https://www.nzz.ch/meinung/ethisch-sterben-die-gefahr-der-moralischen-entgleisung-ld.1542682 
 [46] https://www.nature.com/articles/s41586-018-0637-6 
 [47] https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/ethische-probleme-im-auto-oma-oder-obdachlosen-ueberfahren-makabrer-mit-test-zeigt-dilemma-selbstfahrender-autos_H439792768_308609/ 
 [48]https://www.researchgate.net/publication/51862217_Swedish_emergency_department_triage_and_interventions_for_improved_patient_flows_A_national_update 
 [49] https://www.tagesanzeiger.ch/ist-es-eugenik-482375266020 
 [50] https://www.bol.com/nl/f/computermodel-voor-ondersteunen-van-euthanasiebeslissingen/37129233/ 
 [51] Schätzung auf der Basis der Geburts- und Todeszahlen bei https://www.worldometers.info 
 [52] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Limits_to_Growth 
 [53] https://www.e-education.psu.edu/earth104/node/1347 
 [54] https://www.youtube.com/watch?v=C74amJRp730 
 [55] https://www.derstandard.de/story/2000076111193/start-up-will-gehirn-in-die-cloud-laden-nebenwirkung-tod 
 [56] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Transhumanist_Wager 
 [57] https://www.watson.ch/digital/wissen/533419807-kuenstliche-intelligenz-immenses-potential-und-noch-groesseres-risiko 
 [58] https://www.huffpost.com/entry/ray-kurzweil-nanobots-brain-godlike_n_560555a0e4b0af3706dbe1e2 
 [59] https://www.computerworld.com/article/2901679/steve-wozniak-on-ai-will-we-be-pets-or-mere-ants-to-be-squashed-our-robot-overlords.html 
 [60] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kuenstliche-intelligenz-maschinen-ueberwinden-die-menschheit-15309705.html 
 [61] https://www.theguardian.com/technology/2014/oct/27/elon-musk-artificial-intelligence-ai-biggest-existential-threat 
 [62] https://www.businessinsider.de/politik/china-entnimmt-uigurischer-minderheit-gegen-willen-organe-09-2019/ 
 [63] https://www.amazon.com/iGod-Willemijn-Dicke/dp/1544271573/ 
 [64] https://youtu.be/fdloeMNZs7k 
 [65] (auch wenn man mit einem Index arbeitet, der mehrere Funktionen gewichtet) 
 [66] https://www.springer.com/de/book/9783662101872 
 [67] https://www.springer.com/gp/book/9783642240034 
 [68] https://www.nature.com/articles/nature12047 
 [69] https://patents.google.com/patent/US20160350685A1/en 
 [70] https://www.springer.com/gp/book/9783030623296 
 [71] https://www.springer.com/gp/book/9783030713997, in parts available here: http://ebook.finfour.net 
 [72] https://link.springer.com/article/10.14441/eier.D2013002 
 [73] https://www.researchgate.net/publication/348917283_Digital_Democracy_How_to_make_it_work 
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